Die zweite Läufigkeit von Liberty ist am Abklingen und ja, Hudson lebt noch. ☺️
Es ist mir eine Herzensangelegenheit mal über das Thema Kastration zu schreiben. Weil ich es nun gerade wieder hautnah mit- und erlebt überlebt habe.
Liberty wurde pünktlich zum Tough Hunter, also während dem Aufbau läufig. Unkastrierte Rüden sind im Orgateam keine Seltenheit 🙂 und kommen damit auch gut klar. Nicht weil sie so lockere Typen sind, sondern gelernt haben, damit umzugehen und auch da gibt es natürlich individuelle Nuancen. Wie bei uns Menschen auch, manche stehen kreischend vor dem Schwarm andere schauen ganz gelassen und denken sich, naja der oder die ist eh unerreichbar. Sie war ja auch erst in den ersten Tagen der Läufigkeit.
Zum Zeitpunkt unsere Abreise nach Frankreich sah das schon ein wenig anders aus, die Stehtage standen auf dem Programm. Und Hudson war natürlich aus dem Häuschen, hechelte viel, umwarb seine Schlitti und hatte bestimmt auch Stress.
Aber ist das ein Grund, ihn kastrieren zu lassen? NEIN!
Denn auch ich war schon verliebt und meine Gefühle wurden nicht erwidert. Und wenn es richtig schlimm war, habe ich auch schon mal nichts essen können und einen klare Gedanken zu fassen, war unmöglich.
Ob das Leid jetzt größer oder kleiner ist, wenn ich diese Gefühle nie hätte erleben und fühlen können?
Zurück zum Tag der Abreise. Ich musste noch zwei kleine Besorgungen machen und dachte mir: Super, machst du zu Fuß mit den Hunden, weil dann ja 1,5 Tage Autofahrt anstehen. – Für alle die nicht wissen, wie ich wohne. Also mitten in einem dicht besiedelten Stadtteil in Hamburg, in dem es viele Hunde gibt und ich mit gleich vier Stück an der Zahl.
Ich traf auf eine sehr liebe Kundin mit ihrer Hündin und natürlich wurde die Läufigkeit von Liberty angesprochen, mit der Frage, ob es anstrengend sei?
In dem Moment kam Akiki Mörchen mit ihren Hunden um die Ecke gebogen. Ihr Rüde Toni zeigte selbstverständlich Interesse an Liberty – ich schaue mich auch um, wenn ich einem hübschen Menschen begegne- und ich Grüsse sie und sage ganz freundlich: „Sie ist läufig“.
Akiki lächelt, kommt zurück und nimmt Toni mit einer liebevollen Geste mit. Kein Drama, keine Vorwürfe oder Zurechtweisungen sondern in meinen Augen ein selbstverständlicher, rücksichtsvoller Umgang unter Hundehalter*innen.
Ja, es sind nicht alle so, aber „So what“, jede und jeder kann den Anfang machen.
Sind wir nicht alle in dieser Lebensphase ein bisschen anstrengend gewesen, also nicht für uns, sondern für unsere Umwelt.
Ich würde mir einfach wünschen, dass nicht beim kleinsten Problem, mal eben schnell der junge Rüde gechipt wird oder die Hündin nach der ersten Läufigkeit kastriert wird. Alle meine Töchter müssen durch die Pubertät durch, egal ob es mir gefällt oder nicht und ich masse mir nicht an, darüber zu urteilen oder nachzuempfinden wie schwierig oder stressig es gerade für sie ist. Denn Hormone haben eine Aufgabe und die sollten sie auch erfüllen. Bye the way, sind sie nicht ausschließlich zur Fortpflanzung da 😉
Denn wie schreibt Sophie Strodtbeck so schön in ihrem Buch: „Es sollte nun jedem klar sein, welche Folgen eine Kastration vor dem Höhepunkte Pubertät im Gehirn haben muss:
„Das Kinderzimmer wird nicht aufgeräumt , viele unnötige Verknüpfungen und wenig genutzte Nervenzellen bleiben erhalten, das limbische System behält seine Vormachtstellung und wird daher weiterhin stärker mit Emotionen reagieren, und das Großhirn und seine Rindenregion, die eigentlich für vernünftiges und rational-nachdenkliches Handeln zuständig wären, erhalten zu wenig an Differenzierungen.
Auch innerhalb des Großhirns bleibt die Arbeitsteilung aus: Anstatt kleine Regionen für viele Aufgaben zu beauftragen, sind große Regionen für viele Aufgaben gleichzeitig zuständig. Dass dies nicht gerade zu einer effektiven Problemlösung führt, dürfte allgemein erkennbar sein.
Die lange Leitung, die ein Jugendlicher manchmal in der Pubertät aufweist, sollte ja eigentlich nur ein Übergangszustand zu der Zeit sein, wenn gerade manche Verbindungen abgebaut, die neuen schnelleren aber noch nicht eingezogen wurden.“
Ich bin ganz dankbar, wenn meine Töchter langsam erwachsen werden und nicht immer Teenager bleiben!
Späte Einsicht.
Apple und Brooklyn sind beide kastriert worden, mit ca 4 Jahren. Und nach meinem heutigen Wissenstand würde ich es nie mehr tun!
Sie haben beide keine sichtbaren Probleme, aber es fühlt sich nicht mehr richtig an. Wobei ich mir, nach wiederholtem Lesen von Sophies Buch nicht sicher bin, ob das unsägliche Haaren und extrem dicke Fell von Apple und Brooklyn nicht doch eine Nebenwirkung der Kastration ist. Und Brooklyn wäre, ohne die intensive Arbeit in meiner Ausbildung bei dogument, nicht so eine souveräne Hündin geworden. Sie war eine unsichere Hündin und immer gerne mal das „Opfer“ in Hundebegegnungen.
Ich lege jedem nahe, dieses Buch zu lesen, egal ob man über Kastration nachdenkt oder nicht:
https://www.amazon.de/Kastration-Verhalten-beim-Hund-Gansloßer/dp/3275018205
Es ist ein Fachbuch, dass sich wunderbar lesen lässt. Was ich gerade wieder einmal am Strand getan habe, obwohl ich es schon einmal, auch in Frankreich, gelesen habe. Aber es verstecken sich immer wieder interessante Punkte.
So räumt es auf mit den ganzen alten Mythen, wie zB. – Krebsrisiko bei Hündinnen wird durch eine Kastration eben nicht verringert. Oder -der Hund jagt weniger, denn das Gegenteil ist meist der Fall und – der eher unsichere Hund wird durch eine Kastration leider nicht selbstbewusster, sondern eher unsicherer.
Wachsen lassen.
Vor allem bricht es eine Lanze für:
Lass deinen Hund bitte erst einmal ausreifen! Und das ist er nicht mit 6 Monaten, auch nicht mit einem Jahr. Es braucht mindestens drei Läufigkeiten, der Rüde wird natürlich nicht läufig, aber die Zeitspanne ist identisch.
Fazit der zweiten Läufigkeit bei Liberty,
mit einem unkastrierten Hudson.
- Es waren ca 4 Tage, an denen er sichtlich damit zu kämpfen hatte, aber im Vergleich zur ersten Läufigkeit weitaus weniger und souveräner. Sie haben sogar beide zusammen bei uns im Bett geschlafen.
- Läufigkeitshöschen sind doch gar nicht so schlecht, weil sie gut als Barrierefunktion dienen.
- Souverän kann man nur werden, wenn man die Chance bekommt Situationen und Gefühle zu erleben und zu meistern.
Ich persönlich finde es ganz schön, erwachsen und gereifter zu sein und wünsche mir mehr Gelassenheit beim Thema Läufigkeit und zwar auf beiden Seiten.
Herzlichst Eure Mel